Mal in meiner „Geschichtenkladde“ gestöbert und auf eine ältere und nach wie vor aktuelle Geschichte getroffen – für Euch aus meiner „Geschichtenkladde“ entstiegen!

Auch hässlich ist relativ….
Es war einmal in einer ganz besonderen kleinen Gesellschaft – der Gesellschaft der 6 oder 8-beinigen Gesellen – also kurz der Welt der Krabbeltiere.
An einem ganz gewöhnlichen Tag standen die Tiere auf dem großen Platz der Ringelblumen und gingen ihren Geschäften nach, tratschten oder sonnten sich unter dem azurblauen Himmel.
Der dicke, brummelige Hirschkäfer unterhielt sich gerade mit zwei emsigen und quirligen Ameisen über den diesjährigen Blattlausbestand. – Da kroch ein unbekanntes Wesen über den Platz!
Es war eine giftig-grüne Raupe, mit roten und gelben Tupfen auf dem Rücken, welcher zudem noch mit braunen Haaren übersäht war.
Ganz klar – das unbekannte Wesen kam nicht aus diesem Teil der Krabbelwelt! Zum einen hatte es ja keine Beine und davon brauchte man hier mindestens 6, um dazuzugehören. Zum anderen war es in den Augen der anderen Krabbeltiere so hässlich, dass alle nur fassungslos starrten. Alle Gespräche verstummten – auch der brummelige Hirschkäfer und die quirligen Ameisen stoppten ihre Unterhaltung und guckten und guckten und guckten. Alles Treiben auf dem Ringelblumenplatz stoppte – die Welt stand einen Moment still. Einen sehr! langen Moment.
Als die Anwohner und die Besucher des Ringelblumenplatzes ihre Fassung wiedergefunden hatten, ertönte ein Konzert von hässlich-gemeinen Bemerkungen.
Viele kleine „IIIIIEEEEEHS!“ waren aus der Blattlauskolonie zu vernehmen. Die quirligen und volkstreuen Ameisen waren fassungslos: „Oh Gott, wie individuell. Wo bleibt denn da das Volk und das Gemeinwohl?“ Der Marienkäfer zählte die Punkte der Raupe, stellte fest, dass es mehr waren als auf seinen Flügeln und kehrte der Szene daraufhin pikiert den Rücken. Der Hirschkäfer brummte wie in Endlosschleife: „Oh wie grell ist dieses Grün – meine armen Augen!“ und versuchte seine Augen mit den Fühlern zu schützen. Die garstige Grille schrie: „Schleich dich – du Viech- du bist so grell – dich sieht man ja auf 1000 Grashüpfersprünge und das auch gegen den Wind. Willst du das die Vögel uns alle fressen? Schleich dich!“ Und selbst die weise Bienenkönigin wusste nichts mehr zu sagen – und das soll schon viel heißen.
Das unbekannte Wesen kroch weiter, als ob nichts gewesen ist – als ob es die Blicke der anderen nicht gesehen hat und die Kommentare nicht gehört hat. Es kroch an einem Ringelblumenstengel hoch bis auf eines der oberen Blätter. Dort fraß es dann etwas von dem Blatt und trank etwas von einem Tautropfen und dann wickelte es sich in einen merkwürdigen brauen Sack und heftete sich zum Schlafen an die Unterseite des Blattes.
Es vergingen viel Monde und der braune Sack klebte noch immer an dem Blatt – selbst die Krabbeltiere hatten sich daran gewöhnt! Denn besser dieser merkwürdige braune Sack als dieses grell-giftig-grüne, behaarte Monster!

Doch eines Tages als zufällig wieder die gleiche Gesellschaft auf dem Platz versammelt war, gab es ein lautes Knacken.
Alle Anwohner und Besucher des Ringelblumenplatzes schauten auf und sahen ein atemberaubendes Schauspiel: Der braune Sack war aufgeplatzt und heraus schlüpfte ein eleganter, anmutiger und farbenprächtiger Schmetterling.
Er kletterte auf das Blatt und streckte seine Flügel in der Sonne aus. Die Flügel leuchteten in allen Farben, die Muster schillerten anmutig und prächtig zugleich und der Feenstaub auf den Flügeln schimmerte in der Sonne wie pures Gold.
Der wunderschöne Schmetterling saß da und tankte Sonnenstrahlen bis er sich in die Lüfte schwang und über die Lichtung flog. Überall waren „AAAHHHHS“ und „OOOOHHHHHS“ und andere Begeisterungsrufe zu hören.
Der Schmetterling ließ im Davonfliegen eine Botschaft für die Gesellschaft da: „Hässlich ist relativ! Vertraut mehr Eurem Herzen und weniger Euren Augen – dann ist die Welt noch schöner und noch reicher!“

In diesem Sinne Euch eine herzensreiche Zeit!
Birte